Mittwoch, 20. März 2024

»Hälfte des Lebens« von Friedrich Hölderlin


Friedrich Hölderlin mussten zu der Hälfte seines Lebens in überaus wachem Zustande bereits dunkle Vorahnungen über sein weiteres - sich verfinsterndes - Leben ergriffen haben, denn dieses Gedicht klingt wie eine düstere Prophezeiung seiner zweiten, dunklen Lebenshälfte, welche der Dichter in einem Schattenreich in einem hellen Turm am Neckarufer in der Obhut eines Schreiners verbracht hat, der ein überaus begeisteter Anhänger seiner berühmtesten appolinischen Dichtkunst »Hyperion« war.


»Hälfte des Lebens« von Friedrich Hölderlin ist eines der berühmtesten Gedichte von Friedrich Hölderlin.

Das Gedicht von Friedrich Hölderlin erschien erstmals 1804 in Friedrich Wilmans »Taschenbuch für das Jahr 1805«. Während der Text zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch vielfach auf Unverständnis stieß, etablierte er sich durch die Aufmerksamkeit, die ihm beispielsweise Trakl, Celan, George oder Benn im 20. Jahrhundert widmeten, zur Lyrik von Rang.

Heute zählt »Hälfte des Lebens« zu den bekanntesten Werken Friedrich Hölderlins. Sein Gedicht ist die Klage eines Einsamen, eines Losgelösten, der weder einen Platz in der Welt noch bei Gott gefunden hat. Mit großer Intensität gelingen dem Dichter Worte, die die Ursehnsucht des Menschen nach Ganzheit, einer tiefen Verbundenheit von Geist und Körper, lyrisch fassen. Das eigentlich Bedrückende dieses Textes ist die Erkenntnis einer absoluten Trostlosigkeit, wie sie in Hölderlins Poesie selten so scharf herausgearbeitet wurde.

Sein Gedicht ist die düstere Prophezeiung seines künftigen Lebens im Elfenbeinturm. Es ist so, als hätte der Dichter Hölderlin sein künfiges Schicksal bereits vorausgesehen.


Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

*****

Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.


Quellen:

Textquelle: [Stuttgarter Ausgabe] Friedrich Hölderlin. Sämtliche Werke. Hrsg. von Friedrich Beißner. Bd. 2. Stuttgart: Kohlhammer 1951. S. 117.

Rezension:

Friedrich Hölderlin: Hälfte des Lebens - https://www.zum.de


Literatur:

Gedichte
Sämtliche Gedichte und Hyperion
von Friedrich Hölderlin

Hölderlin



Weblink:

Hälfte des Lebens - Deutschland-Lese - www.deutschland-lese.de

Blog-Artikel:

»Hälfe des Lebens« von Friedrich Hölderlin - Gastbeitrag

Poetenwelt-Blog


Samstag, 16. März 2024

»An die Deutschen« von Friedrich Hölderlin


»Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch' und Sporn
Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,
Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid
Tatenarm und gedankenvoll.

Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,
Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?
O ihr Lieben, so nimmt mich,
Daß ich büße die Lästerung.«



Hölderlin reflektiert in diesem Gedicht die Position des deutschen Idealismus um 1800, denn auch dieser war tatenarm und gedankenvoll.


Samstag, 20. Januar 2024

»Der Winter« von Friedrich Hölderlin

Winter in der Waldheimat





Wenn ungesehn und nun vorüber sind die Bilder
Der Jahreszeit, so kommt des Winters Dauer,
Das Feld ist leer, die Ansicht scheinet milder,
Und Stürme wehn umher und Regenschauer.

Als wie ein Ruhetag, so ist des Jahres Ende,
Wie einer Frage Ton, daß dieser sich vollende,
Alsdann erscheint des Frühlings neues Werden,
So glänzet die Natur mit ihrer Pracht auf Erden.

»Der Winter« von Friedrich Hölderlin


Samstag, 24. Juni 2023

»Empedokles. Ein Trauerspiel in fünf Akten«

Empedokles

Empedokles

Der Tod des Empedokles ist ein unvollendetes Dramenprojekt von Friedrich Hölderlin. Das Projekt wurde nicht vollendet, weil Hölderlin die Regeln der Gattung nicht beherrscht hat.

Das Stück behandelt die letzten Lebenstage des vorsokratischen Philosophen Empedokles aus Agrigent, der sich einer Legende nach durch einen Sturz in den Ätna mit den Worten „Im freien Tod, nach göttlichem Gesetz“ das Leben nahm.

Hölderlins hauptsächliche Quelle für den Empedokles-Stoff waren die Lebensbeschreibungen, Lehren und Aussprüche hervorragender Philosophen des antiken Philosophiehistorikers Diogenes Laertius.

»Empedokles. Ein Trauerspiel in fünf Akten«

Erster Akt

Empedokles, durch sein Gemüt und seine Philosophie schon längst zu Kulturhaß gestimmt, zu Verachtung alles sehr bestimmten Geschäfts, alles nach verschiedenen Gegenständen gerichteten Interesses, ein Todfeind aller einseitigen Existenz, und deswegen auch in wirklich schönen Verhältnissen unbefriedigt, unstät, leidend, bloß weil sie besondere Verhältnisse sind und, nur im großen Akkord mit allem Lebendigen empfunden, ganz ihn erfüllen, bloß weil er nicht mit allgegenwärtigem Herzen innig, wie ein Gott, und frei und ausgebreitet, wie ein Gott, in ihnen leben und lieben kann, bloß weil er, sobald sein Herz und sein Gedanke das Vorhandene umfaßt, ans Gesetz der Sukzession gebunden ist?
Empedokles nimmt ein besonderes Aergernis an einem Feste der Agrigentiner, wird darüber von seinem Weibe, die von dem Einfluß dieses viel gehofft, und gutmütig ihn überredet hatte, daran Teil zu nehmen, etwas empfindlich und sarkastisch getadelt, und nimmt von jenem Aergernis und diesem häuslichenZwist Veranlassung, seinem geheimen Hange zu folgen, aus der Stadt und seinem Hause zu gehen, und sich in eine einsame Gegend des Aetna zu begeben."


Literatur:

Empedokles

Empedokles
von Hölderlin

Mittwoch, 7. Juni 2023

Friedrich Hölderlin 180. Todestag

Friedrich Hölderlin


Friedrich Hölderlin starb vor 180 Jahren am 7. Juni 1843 in Tübingen. Friedrich Hölderlin war ein von der schwäbischen Romantik geprägter Dichter und ein bedeutender Schriftsteller und Dichter der Klassik.

Hölderlin gilt als einer der bedeutendsten Dichter deutscher Sprache, der Oden, Elegien und Hymnen veröffentlichte. Zu seinen Hauptwerken gehören der Roman »Hyperion« (1797-99) und das Drama »Empedokles« (1798).

Er studierte von 1788 bis 1793 Theologie im Tübinger Stift, wo er unter anderem auf den Philosophen Hegel traf. Hölderlin war mit Schelling und Hegel befreundet, erst Kantianer (als Hörer Fichtes), dann Verkünder eines ästhetischen Pantheismus in seinem Roman »Hyperion«. Nach der Entlassung begann Hölderlins Flucht vor dem Pfarrerberuf

1795 zog der nach Frankfurt am Main, um seine neue Hofmeisterstelle bei Susette Gontard, seiner »Diotima« anzutreten. Als Gontard von der Beziehung seiner Frau zum Erzieher des Sohnes erfuhr, musste Hölderlin 1798 seine Tätigkeit im Haus des Bankiers beenden.

Er zog zu seienem Freund Issak Sinclair nach Bad Homburg und begleitete ihn im Novmeber zum rastatter Kongreß. 1801 trat Hölerlin seine dritte Hofmeisterstelle bei der Familie Gonzenbach in Hauptwil bei St. Gallen an, die er jedoch schon bald wieder kündigte.

"Wir sind nichts. Was wir suchen ist alles."

Friedrich Hölderlin

Hölderlin drängte es aus der Enge der bürgerlichen Konvention in die ferne Welt hinaus. Er sehnte sich nach einer Harmonie zwischen Mensch und Natur, wie er sie in einem idealisierten Bild des alten Griechenland erblickte und für die Zukunft wieder erhoffte.

Hölderlin gilt als sehr begabter Dichter. Seine feierlich-ernsten, manchmal schwermütigen Gedichte in altgriechischen Vers- und Strophenformen sind von einer hohen sprachlichen Schönheit.

1801 begab sich Hölderlin für drei Monate in die Schweiz nach Hauptwil und unterrichtet die jüngere Schwester vom Kaufmann Emanuel von Gonzenbach. Im folgenden Jahr begibt sich Hölderlin nach Bordeaux und arbeitet dort erneut als Hauslehrer, kehrt aber nach wenigen Monaten zurück ins Schwabenland.

1802 trifft er in Stuttgart ein, sein gesundheitlicher Zustand ist desolat, so dass ihn seine Freunde aufgrund seines verwirrten Zustandes kaum wiedererkennen. In dieser Zeit erhält Hölderlin die Nachricht vom Tod Susette Gontards und geht zurück nach Nürtingen zu seiner Mutter, arbeitet an der Übersetzung von Sophokles und Pindar.

1805 wurde mit seinen »Nachtgesängen« auch das berühmte kurze Gedicht »Hälfte des Lebens« veröffentlicht.

    Friedrich Hölderlin-Werke


Gedichte
Sämtliche
Gedichte und
Hyperion
Hyperion
Hyperion
Hyperion
Hyperion
Empedokles

Empedokles

Zu seinen Hauptwerken gehören der Roman »Hyperion« (1797-99) und das Drama »Empedokles« (1798).Er verfasste zudem zahlreiche Gedichte, Briefe und theoretische Schriften.

Nach dem Tod seiner Geliebten Susette Gontard im Jahr 1802 verfiel er in Raserei und seine Stimmung trübte sich ein. Er raste vor Wut angesichts seiner Trauer und des Unverständnisses seiner Angehörigen. Tiefe Depressionen, Verbitterung und gelegentliche cholerische Wutanfälle wechselten bei ihm einander ab.

Friedrich Hölderlin wurde 1806 von Homburg in ein Klinikum nach Tübingen gebracht. Hölderlin galt ab diesen Zeitpunkt als wahnsinnig und kam ab 1807 zur Pflege bei der Tübinger Tischlerfamilie Ernst Zimmers. In den letzten 36 Jahren lebte er in deren Haus in einer Teestube oberhalb des Neckartals, heute als Hölderlinturm bekannt.

Seit seinem 32. Lebensjahr lebte der gedankenvolle Dichter Hölderlin in geistiger Umnachtung. Seine letzte Ruhestätte fand der Dichter auf auf dem Tübinger Stadtfriedhof.

Friedrich Hölderlin wurde am 20. März 1770 als Sohn eines Klosterpflegers und einer Pfarrerstochter in Lauffen am Neckar geboren.


Weblinks:

Friedrich Hölderlin-Biografie

-

Biografien-Portal - www.die-biografien.de


Friedrich Hölderlin-Zitate

-

Zitate-Portal

- www.die-zitate.de

Samstag, 27. Mai 2023

Hölderlins Rückkehr aus Frankreich


Nach Hölderlins Grenzübertritt Straßburg nach Kehl vergingen ein paar Wochen bis er in Nürtingen bei der Mutter eintraf. Mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit war Hölderlin während dieser Zeit in Frankfurt, um seine große Liebe, Susette Gontard, seine Diotima, noch einmal zu sehen. Ob er zu der Todkranken vorgelassen wurde, kann weder belegt noch ausgeschlossen werden.

Sein Reisekoffer aber, der auch die Briefe Susettes, in einem verschlossenen Behälter, enthielt, war bereits vor seiner Ankunft in Nürtingen mit der Post eingetroffen. Die Mutter brach den Behälter auf, las die Briefe und machte Hölderlin gewiss die bittersten Vorwürfe, weil er ein Verhältnis mit einer Verheirateten gehabt habe.

Dies alles vorausgesetzt, verwundert es freilich nicht, daß Hölderlin - zumal ohnehin Choleriker - ausrastete.

Biograifie:

Hölderlin


Hölderlin von Pierre Bertaux

Montag, 20. März 2023

Hölderlins Leben


Hölderlin war ein begabter junger Dichter mit überragendem Talent und hohen Ambitionen, der zur falschen Zeit im falschen Land gelebt hat. Wer keine Förderer und Gönner im Leben gefunden hat - wie die Dichter Herder, Wieland, Goethe und Schiller am Fürstenhof in Weimar, von seinem Landesherren vertrieben wurde, sich als Hauslehrer verdingen musste und zu allem Überfluß auch noch unglücklich in eine Bankiersgattin verliebte, der kann im Grunde nur noch tragisch - wie Kleist - enden.

Hölderlins Werk lässt sich, ebenso wenig wie das von Heinrich von Kleist, in eine Schublade stecken. Er lebte und schrieb, als die später als Weimarer Klassik und Romantik bezeichneten Literaturgattungen en vogue waren. Doch entwickelte er, unabhängig von allen zeitlichen Einflüssen, seinen ganz eigenen, unverkennbaren Stil. Doch wäre es nach seiner Mutter gegangen, wäre Hölderlin Pfarrer geworden.

Ihr zuliebe studierte er zwar Theologie, wollte aber keine kirchliche Laufbahn einschlagen, sondern verdingte sich als Hauslehrer von Kindern reicher Familien. Hölderlin hatte das Vergnügen, regelmäßigen Umgang mit der geistigen Elite seiner Zeit zu pflegen. Er schloss während des Studiums Freundschaft mit Hegel und Schelling, hatte Kontakte zu Goethe, Schiller und Friedrich von Hardenberg (Novalis). Mit dem Diplomaten und Schriftsteller Isaac von Sinclair war er befreundet und teilte sich mit ihm für kurze Zeit ein Gartenhäuschen in Jena.

Friedrich Hölderlin, dessen 250. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, war glühender Republikaner, für den die Französische Revolution, die er mit 19 erlebte, ein Erweckungserlebnis war, das für sein ganzes Leben bestimmend blieb.

Er litt von Kindheit an, ähnlich wie Schiller, darunter, dem Landesherrn unmittelbar unterstellt zu sein, denn seine Eltern hatten ihn auf Klosterschulen geschickt (Hölderlin) und sich von diesem für ihren begabten Sohn ein Studium finanzieren lassen (beide), verbunden mit der Verpflichtung, ihm dann später zu dienen, hier der Theologie und als Pfarrer.

Er liebt (oder träumt zu lieben?) die Gemahlin eines Banciers in Frankfurt ("Susette Gontard" alias "Diotima"), in dessen Hause er als privater Hauslehrer arbeitet. Sie ist seiner idealisierenden Liebe nicht abgeneigt, verweigert jedoch aus bürgerlicher Sicherheitssucht die Scheidung. So wird er entlassen und muss am Ende bis nach Bordeaux gehen, um eine neue Anstellung zu finden.

Sein eigener Geist ließ ihn jedoch im Stich. Er war Ende 20, als er zunehmend ein Verhalten an den Tag legte, das Menschen, die sich als normal betrachten, als seltsam bezeichnen würden. 1795 etwa kehrte er der Stadt Jena überstürzt den Rücken, wohl aus der Angst heraus, sein großes Vorbild Schiller enttäuscht zu haben. Er fühlte sich ihm gegenüber in die Rolle des hilflosen Schülers versetzt. Verwirrt und mit Zeichen der Verwahrlosung kehrte er zurück zu seiner Mutter nach Nürtingen.

Wenig später wurde ihm die Diagnose einer schweren Hypochondrie gestellt. 1802 erhielt er eine Anstellung als Hauslehrer in Bordeaux, kehrte aber bereits nach wenigen Monaten aus ungeklärten Gründen und wiederum in verwirrtem Zustand zurück.

Mit seinem eigenartigen Verhalten eckte Hölderlin zunehmend an. Gegen seinen Willen wurde er schließlich 1806 ins Universitätsklinikum Tübingen eingeliefert. Es ist wahrscheinlich, dass der Dichter an einer Schizophrenie litt, eine Erkrankung, die zur damaligen Zeit noch gar nicht in den Psychiatrie-Lehrbüchern beschrieben war. Diagnostiziert wurde ihm eine „Manie als Nachkrankheit der Krätze“. Viel über die Behandlung, die er in der Klinik erfuhr, ist heute nicht bekannt, es ist aber davon auszugehen, dass sie seiner Gesundheit eher abträglich war. Ein Jahr später hieß es, Hölderlin sei „unheilbar“ und werde wohl nur noch wenige Jahre zu leben haben.

Da hatte der Arzt die Rechnung ohne den Dichter gemacht. Hölderlin kam in Pflege zur Familie des Tübinger Tischlers Ernst Zimmer, der dessen Briefroman „Hyperion“ bewunderte. Im Kreis dieser Familie fühlte sich der Poet offenbar wohl. Er begann wieder zu schreiben, spielte Klavier und erhielt des Öfteren Besuch in seinem Zimmer im Turm. Ganze 36 Jahre lebte Hölderlin bei den Zimmers, ehe er am 7. Juni 1843 im Alter von 73 Jahren ohne Anzeichen einer körperlichen Erkrankung starb.

Die Zweifel, die Literaturwissenschaftler lange Zeit an der Qualität des Hölderlin’schen Spätwerks hegten, sind mittlerweile zum Glück ausgeräumt. Vielmehr belegen aktuelle Forschungen die hohe Qualität seines Schaffens in der zweiten Hälfte des Lebens.